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Plinius, Epistulae, III 7

 

Nachruf auf den Dichter Silius Italicus

 

C. PLINIUS CANINIO RUFO SUO S.

Modo nuntiatus est Silius Italicus in Neapolitano suo inedia finisse vitam. Causa mortis valetudo. Erat illi natus insanabilis clavus,1 cuius taedio ad mortem irrevocabili constantia decucurrit2 usque ad supremum diem beatus et felix.

Quod me recordantem fragilitatis humanae miseratio subit. Quid enim tam circumcisum tam breve quam hominis vita longissima? An non videtur tibi Nero modo modo3 fuisse? cum interim ex iis, qui sub illo gesserant consulatum, nemo iam superest. Tam angustis terminis tantae multitudinis vivacitas4 ipsa concluditur, ut mihi non veniā solum dignae, verum3etiam laude videantur illae regiae lacrimae; nam ferunt Xersen, cum immensum exercitum oculis3obisset, illacrimasse, quod tot milibus tam brevis immineret occasus.

Sed tanto magis hoc, quidquid est temporis caduci, si non datur factis5 -nam horum materia6 in aliena manu-, certe studiis3proferamus, et quatenus nobis denegatur diu vivere, relinquamus aliquid, quo nos vixisse testemur!

Scio te stimulis3non egere: me tamen tui caritas evocat, ut currentem quoque instigem, sicut tu soles me. Vale.

 

1 clavus: Geschwür; 2 ad mortem decurrere: den Entschluss fassen zu sterben; 3 modo modo: eben noch; 4 vivacitas: Lebensdauer; 5 factum: Großtat; 6 materia horum: Gelegenheit dazu.

 

Plinius grüßt seinen Caninius Rufus

Eben hat man gemeldet, dass Silius Italicus auf seinem Neapolitanum (= Landgut) durch Fasten sein Leben beendet hat; der Grund für seinen Tod war sein Gesundheitszustand. Es hatte sich bei jenem ein unheilbares Geschwür gebildet, und aus Ekel davor suchte er mit unwiderruflicher Standhaftigkeit im Tode Zuflucht, bis zum letzten Tag glücklich und zufrieden.

Und wenn ich das (= quod: Relativer Anschluss) bedenke (= mich das bedenkenden), befällt mich Mitleid mit der menschlichen Hinfälligkeit. Was ist denn so beschränkt, so kurz wie das längste Leben eines Menschen? Oder scheint dir nicht Nero eben noch gelebt zu haben? Inzwischen ist von denen, die unter ihm das Konsulat bekleidet hatten, niemand mehr am Leben! Doch warum wundere ich mich darüber? Neulich noch pflegte Lucius Piso zu sagen, er sehe niemandem mehr im Senat, den er selbst als Konsul zur Abstimmung aufgefordert habe. Durch so enge Grenzen wird die Lebenskraft einer so großen Menge eingeschlossen, dass mir jene Königstränen nicht nur verzeihlich, sondern sogar lobenswert erscheinen. Denn man berichtet, dass Xerxes, nachdem er sein ungeheures Heer gemustert hatte, in Tränen ausgebrochen sei, weil so vielen Tausenden (= milibus) ein so baldiges Ende bevorstehe.

Aber umso mehr wollen wir diese vergängliche Zeit, wenn sie nicht Taten gewidmet wird – denn die Gelegenheit dazu liegt in fremder Hand), wenigstens mit geistiger Arbeit  verlängern und, weil uns versagt wird lange zu leben, etwas hinterlassen, mit dem wir beweisen, dass wir gelebt haben!

Ich weiß, du bedarfst des Antriebs nicht; dennoch ruft mich die Liebe zu dir auf, dich noch im Laufe anzuspornen, wie du es mit mir zu tun pflegst.

Leb wohl!


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